B 6401 "Cascada"

Mit der B 6401 "Cascada" stellte der VEB "Albert Norden" in Leipzig die dritte und letzte Box der Gestaltungslinie vor, die mit der "Merkur" begonnenen wurde. Sie ist damit ein weiterer Bestandteil einer neuen, optisch moderner gestalteten Generation von Lautsprecherboxen. Es handelt sich bei ihr um eine kleine 3-Wege-Standbox mit Baßreflexsystem und einem Volumen von 25 Litern.

Die mechanische Konstruktion des Gehäuses weist keine Besonderheiten auf. Es ist aus 18 mm starker Faserplatte gefertigt, der Tiefton- und der Mitteltonlautsprecher sind in einer gefrästen Sicke auf einer Gummiunterlage an der Front montiert, der Hochtöner auf einen Filzring direkt auf die Front geschraubt. Tief- und Mitteltöner sind mit M4-Kreuzschlitzschrauben, die in Dübel eingeschraubt sind, befestigt. Die drei Lautsprecher sind senkrecht übereinander angeordnet.

Die Gestaltung der abnehmbaren, Frontblende, die die drei Lautsprecher verkleidet, den unteren Teil der Box mit dem Baßreflexsystem jedoch freiläßt, wurde von der "Merkur", bzw. Carina übernommen und deckt die drei Lautsprecher mit eckigem Drahtgewebe ab. Da die Blende mit einem Hornansatz vor dem Kalottenhochtöner funktionsbestimmend wirksam ist, ist ein Betrieb der Box ohne Blende nicht vorgesehen.

Als Tieftonlautsprecher kommt einer für den Einsatz in dem großen Luftvolumen inklusive Baßreflexabstimmung weiterentwickelter Typ des aus der "Corona" bekannten L 2621 zum Einsatz. Er ist ebenfalls vom VEB Elektroakustik Leipzig und hat weiterhin eine Belastbarkeit von 40 VA und einem Korbdurchmesser von 16 cm. Er wurde jedoch so überarbeitet, daß die Schwingspule, die bei dem jetzt L 2621 S bezeichneten Lautsprecher aus Aluminium besteht, bei großen Membranauslenkungen nicht mehr so leicht auf die Polplatte des Magneten aufschlagen kann.

Durch den Einsatz dieses Lautsprechers in dem gut darauf abgestimmten 25 Liter großen Baßreflexgehäuse der "Cascada" wird eine bisher im Heimbereich nicht erreichbare Wiedergabe der tiefen Frequenzen ermöglicht. Durch die Anwendung des Baßreflex-Prinzips konnte eine optimale Abstimmung zwischen Kennempfindlichkeit, Belastbarkeit und unterer Grenzfrequenz, die bei lediglich 35 Hz liegt, erreicht werden. Auch der etwas dürftige Wirkungsgrad des Tieftonlautsprechers konnte auf diese Weise sehr gut kaschiert werden, sodaß die "Cascada" auch an etwas leistungsschwächeren Verstärken betrieben werden kann.

Für die Wiedergabe der mittleren Frequenzen wird in der "Cascada" ein weiterentwickelter Typ des bereits in der "Carina" eingesetzten L 2461 verwendet. Dieser, nun L 2464 bezeichnete Lautsprecher ist ein reiner Mitteltöner mit geschlossenem Blechkorb. Er hat auch einen Korbdurchmesser von 125 mm und eine Schaumstoffsicke, auf einen Hochtonkegel wurde

jedoch zugunsten eines besseren Abstrahlverhaltens verzichtet. Die hohe Belastbarkeit von 20 VA blieb gegenüber dem Vorgängertyp unverändert.

Für den Hochtonbereich findet in der "Cascada" der bereits aus der "Merkur" und "Carina" bekannte Kalottenhochtonlautsprecher L 9806 vom VEB Elektroakustik Leipzig Verwendung. Bei ihm handelt es sich um eine Weiterentwicklung des bekannten L 9801, jedoch mit einer erhöhten Belastbarkeit von nun 25 VA. Alle anderen akustischen Eigenschaften blieben nahezu unverändert. Diese Hochtonkalotte mit Polycarbonat-Membran zeichnet durch einen gleichmäßigen und weitreichenden Frequenzgang, sowie eine hohe Kennempfindlichkeit aus.
Die Vorteile einer Hochtonkalotte sind, daß aufgrund der gegenüber Konushochtönern kleineren und somit leichteren Membran die hohen Frequenzen besser und detailgetreuer wiedergeben. Außerdem wird durch die kuppelförmige Membran eine bessere räumliche Schallverteilung und eine verringerte Bündelung der hohen Frequenzen erreicht.

Die drei Lautsprecher sind über eine elektrische Frequenzweiche mit einer Flankensteilheit von 12 dB / Oktave für den Tief- und Mittelton-, bzw. 18 dB / Oktave für den Hochtonbereich zusammengeschaltet, die Trennfrequenzen liegen bei 1500 Hz und 4500 Hz. Sämtliche Bauteile der Weiche sind auf einer Platine untergebracht, schaltungstechnische Besonderheiten gibt es keine. Die Spule für den Tieftonzweig ist auf einen Ferritkern gewickelt, was Platz und Kupfer spart.

Die optische Gestaltung der "Cascada" ist technisch gehalten, betont den funktionellen Charakter der Box und setzt die mit der "Merkur" begonnene Gestaltungslinie fort. Das Gehäuse der "Cascada" ist eckig, die Frontblende an der Oberkante leicht angeschrägt. Unseres Wissens nach ist die Box in den Farbvarianten für Gehäuse und Front in: braun-braun, schwarz-silber schwarz-schwarz und anthrazit-anthrazit lackiert angeboten worden. Das Drahtgewebe an der Front ist bei der braunen Variante ebenfalls braun lackiert, bei der silbernen, schwarzen und anthrazit farbenen Frontblende schwarz. Die Beschriftung der Box erfolgte mit weißem, bzw. schwarzem Siebdruck.

Nach der Wende wurde die NewLine 140 als Nachfolger der "Cascada" weiter produziert. Sie blieb technisch bis auf eine erhöhte Belastbarkeit (die eher auf "westliche" Übertreibung als auf Weiterentwicklung zurückzuführen ist) weitgehend unverändert. Optisch wurde die Box jedoch völlig überarbeitet. Sie hatte nun ein mit schwarzer Holzdekor-Folie beklebtes Gehäuse und eine vollflächige, abnehmbare Stoffblende an deren oberen Ende der Name der Box auf einer Verkleidung aus Plastik mit goldener Schrift aufgedruckt war.

Die B 6401 "Cascada" wurde auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1988 das erste mal der Öffentlichkeit vorgestellt.


Technische Daten:

Nennbelastbarkeit:

50 W

Höchstbelastbarkeit:

80 W

Nennscheinwiderstand:

4 Ohm

Übertragungsbereich:

35 - 22000 Hz

Trennfrequenz:

1,5 kHz; 4,5 kHz

Kennempfindlichkeit:

86 dB

Betriebsleistung:

9 W

Länge der Anschlußleitung:

4 m

Nettovolumen:

25 l

Abmessungen (B x H x T):

230 x 630 x 285 mm

Masse:

12 kg

Preis pro Box:

495,- M


Stromlaufplan

Übertragungskurve


Klang der Box

Die B 6401 "Cascada" hat im Vergleich mit allen anderen DDR-Lautsprecherboxen einen unverwechselbaren Klang. Keine andere DDR-HiFi-Box bringt so tiefe Bässe wie die "Cascada". Sowohl die 25 Liter Volumen als auch die Abstimmung des Baßreflexsystems auf eine untere Grenzfrequenz von 35 Hz ist dafür verantwortlich, jedoch wird sie durch eine gegenüber anderen ähnlich großen Boxen etwas geringere Kennempfindlichkeit erkauft.

Die Tieftonwiedergabe ist zwar beeindruckend tief, läßt im Gegenzug jedoch etwas Straffheit und Konturierung vermissen. Im Vergleich zu einer im Baßbereich ähnlich spielenden K 35 "profiL" klingt der Baß der "Cascada" etwas mulmig.
Der Mitteltonbereich klingt nicht so schlecht, läßt aber eine Räumlichkeit und Ortbarkeit des Klangbildes etwas vermissen. Auch klingt die Box aufgrund des

recht breitbandigen Pegelabfalls zwischen 300 und 1500 Hz recht kühl in den Mitten.
Die Wiedergabe der hohen Frequenzen ist zwar nicht so schlecht, fügt sich auch ganz gut an den Mitteltonbereich an, jedoch erscheinen auch sie im Verhältnis zum Tieftonbereich zu leise. Dadurch wirkt die Box etwas dumpf.

Im Großen und Ganzen ist die "Cascada" klanglich ganz gut, klingt relativ ausgewogen, überhaupt nicht aufdringlich, eher zurückhaltend und etwas dumpf. Durch die subjektiv zu schwache Hochtonwiedergabe geht im gesamten Frequenzbereich etwas an Brillianz und Durchsichtigkeit im Vergleich zu anderen hochwertigen DDR-HiFi-Lautsprecherboxen, wie z.B. der BR 50, verloren. In der Tieftonwiedergabe ist sie allerdings echt ein Wort, lediglich die K 35 "profiL" kann das noch einen Zacken besser.


Die Eindrücke über das Klangbild der Box sind natürlich subjektiv und somit Geschmacksache.


Klangtuning

Es ist soweit. Nach Jahren des Bastelverbots meiner Eltern an ihren "Cascadas", durfte ich nun endlich meine Tuningversuche in ihnen vornehmen. Für meine Begriffe kann sich das Ergebnis wirklich hören lassen. Eine Einschränkung gibt es jedoch. Mit den originalen Lautsprechern, bzw. dem verwendeten Mitteltöner mit geschlossenem Korb, läßt sich auch mit einer anderen Weiche kein Blumentopf gewinnen.

Nun aber von vorn. Der Tieftonbereich ist original wirklich gut und läßt sich mit der Frequenzweiche auch nicht wirklich beeinflussen. Kurz darüber beginnt aber das Hauptproblem der Cascada. Der Tieftöner hat von Hause aus eine recht geringe Kennempfindlichkeit. In der "Cascada" werden die Bässe durch daß große Gehäuse nun etwas überhöht, was eigentlich auch nicht schlecht ist. Da der Tieftöner aber auch für die Wiedergabe von mittleren Frequenzen mit zuständig ist, sind diese nun im Verhältnis zu dem überhöhten Schalldruck in den Tiefen etwas zu leise. Dadurch geht Durchsichtigkeit und Ortung im Klangbild verloren.

Da der verwendete Mitteltöner deutlich mehr Schalldruck als der Tieftöner liefert, kann man die Trennfrequenz auf den notwendigen Wert senken. Das funktioniert jedoch mit dem originalen Mitteltöner L 2464 mit geschlossenem Korb nicht, dieser eine Eigenresonanz von 450 Hz mit einer Überhöhung von über 10 dB hat. darunter fällt sein Pegel so stark ab, daß unter 400 Hz praktisch nichts mehr ist.
Mit dem in der "Carina" verwendeten Typ L 2461 mit offenem Korb und dahinter befindlichem Blechtopf mit einem Volumen von ca. 0,5 Litern ist das jedoch zu realisieren. Sein Frequenzgang reicht im eingebauten Zustand bis ca. 200 Hz herab.

Dieser Lautsprecher hat allerdings den Nachteil, daß er eigentlich ein Breitbänder ist und einen Hochtonkegel besitzt. Dieser sorgt natürlich für eine Bündelung der mittleren und hohen Frequenzen, was das Abstrahlverhalten der Box deutlich verschlechtert. Entweder klingt sie auf Achse gut und außerhalb nicht, oder klingt im Raum gut und überhöht dann die Mitten auf Achse. Deshalb habe ich den Hochtonkegel entfernt und eine normale Staubschutzkalotte eines L 2432 eingesetzt, wobei da sicherlich auch andere Lautsprecher für herhalten können. Damit ist das Problem des Abstrahlverhaltens wirksam beseitigt.

Nun zum eigentlichen Umbau der Frequenzweiche. Die Trennfrequenz zwischen Tief- und Mitteltöner habe ich auf ca. 300 Hz abgesenkt. Dazu habe ich den Tiefpaß des Tieftöners entspechend umdimensioniert, ihn aber 2. Ordnung belassen. Die untere Trennfrequenz des Mitteltonlautsprechers muß deshalb auch sehr weit nach unten gesetzt werden.

Zugunsten eines guten Phasen- und Abstrahlverhaltens habe ich den Bandpaß des Mitteltöners ebenfalls 2. Ordnung ausgeführt. Das führt jedoch zu einem recht kritischen Impedanzverhalten im Bereich der Trennfrquenz. Die Impedanz unterschreitet in diesem Bereich den Wert von 4 Ohm, so daß bei Verstärkern mit Ausgangsstrombegrenzung (z.B. HMK, Tonica, RS 5001, usw.) bei hohen Lautstärken Verzerrungen durch die Begrenzung auftreten können.

Die Trennfrequenz zwischen Mittel- und Hochtöner habe ich auf ca. 3,5 kHz gesenkt, da der recht große Mitteltonlautsprecher (nun ohne Hochtonkegel) nach oben nicht mehr genügend Pegel liefert. Auch den "Tiefpaß des Bandpasses" habe ich 2. Ordnung ausgeführt, da sich so ein günstigerer Phasenverlauf ergeben hat. Um den Mitteltöner aufgrund der tiefen unteren Trennfrequenz bei hohen Pegeln nicht zu überlasten, habe ich ihn zusammen mit dem Hochtonlautsprecher über eine Glühbirne angeschlossen, die im Überlastungsfall einen Teil der Spannung "verbrät".

Den Hochpaß vor dem Hochtöner habe ich ebenfalls in 2. Ordnung ausgeführt, um einen homogeneren Übergang zu erhalten. Zusätzlich ist er umdimensioniert um die tiefere Trennfrequenz zu erreichen. Da allerdings die Polykarbonat-Kalotten immer etwas zum Zischen neigen und dieses Verhalten durch den in der Blende der "Cascada" eingefrästen Hornansatz noch verstärkt wird, war mir die Box ohne Widerstand vor dem Hochtöner etwas zu "schrill". Lötet man nun einfach einen Widerstand davor, verringert man das "Zischen", es kostet jedoch auch Pegel in den höchsten Frequenzen, die aufgrund der schwachen Antriebe der DDR-Hochtonkalotten ohnehin immer schon etwas zu kurz kommen.

Aus diem Grund habe ich mich für einen Saugkreis oder auch Bandstopfilter entschieden. Meine Messungen haben ergeben, daß die Überhöhung durch die Frontblende (die bei der "Cascada" aus optischen Gründen eigentlich immer montiert ist) im Bereich um 8,5 kHz auftritt. Also habe ich den Saugkreis auf diese Frequenz angesetzt. Er ist 1. Ordnung für ein "weiches Trennverhalten" und senkt den Pegel in diesem Bereich um ca. 3dB ab. Das nimmt der Box ihr nerviges "Zischen" ohne das dabei Brillanz in den Höchsten Frequenzen verloren geht.

Ingesamt klingt die "Cascada" nun wirklich richtig gut, tendiert in den Mitten nun mehr in Richtung BR 25. Sie hat allgemein auch an Pegel zugelegt, was der Box ihr original etwas dumpfes Klangbild nimmt und im direkten Vergleich subjektiv besser empfunden wird. Im Vergleich zur BR 50 hat sowohl in den Tiefen als auch in den Höhen mehr zu bieten und klingt daher etwas voller.


Veränderter Stromlaufplan